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Diskurs

Mittwoch, 20.05.2015

Anti-Piraterie-Maßnahmen: EU-Studie zur kino.to-Schließung

Die Schließung der Streaming-Plattform kino.to im Juni 2011 hat in Deutschland das illegale Abrufen von Filmen und Musik im Internet lediglich kurzfristig eingedämmt. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen Studie im Auftrag der EU-Kommission, die auch für künftige Anti-Piraterie...

Die Schließung der Streaming-Plattform kino.to im Juni 2011 hat in Deutschland das illegale Abrufen von Filmen und Musik im Internet lediglich kurzfristig eingedämmt. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen Studie im Auftrag der EU-Kommission, die auch für künftige Anti-Piraterie-Maßnahmen interessant sein könnte (IPRED 2). Sie „leidet an Schönheitsfehlern“, meint die GUV.
Ausgangspunkt der Studie „Online Copyright Enforcement, Consumer Behaviour, and Market Structure “ von Luis Aguiar, Jörg Claussen und Christian Peukert ist die Schließung der Piraterie-Website kino.to, die im Juni 2011 nach Razzien den Betrieb einstellte. Ihr Chef wurde später zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. In einem vielbeachteten Prozess hatte drei Jahre später der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Internetserviceprovider von nationalen Gerichten zur Sperrung des Zugangs zu Webangeboten verpflichtet werden können, auf denen Urheberrechte verletzt werden (siehe News vom 27. März 2014).
Gestützt auf einen Clickstream-Datensatz von 5.000 Internetnutzern aus dem Jahr 2011 gelangen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Abschaltung der beliebtesten deutschen Videostreaming-Website kino.to „zu einem signifikanten, aber nur kurzzeitigen Rückgang der Piraterienutzung“ führte, heißt es im Abstract der Studie, die vom JRC Institute for Prospective Technological Studies der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde. In den ersten vier Wochen sei die Nutzung von anderen illegalen Webangeboten um 30 Prozent zurückgegangen. Die Nutzung von lizenzierten Filmplattformen habe lediglich um 2,5 Prozent zugenommen.
Hier „werden die Effekte der Schließung des Systems kino.to kleingerechnet“, entgegnet Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), in einer Stellungnahme. Angesichts der hohen Nutzungsrate sei dies „ein ganz beachtlicher Effekt“, denn kino.to gehörte bis Juni 2011 zu den 50 meist benutzten Webseiten in Deutschland mit allein zeitweise über 4 Millionen Zugriffen täglich. Zudem hätten beispielsweise die stationären Videotheken in Deutschland im Monat der nach der kino.to-Schließung eine durchschnittliche Steigerung im DVD/Blu-Ray-Verleih um 17,9 Prozent gegenüber dem Vormonat verzeichnet. Sein Fazit: „Die Studie leidet an einigen Schönheitsfehlern.“
Unbestreitbar ist aber die Feststellung, die von der neuen Studie gestützt wird, dass Dauernutzer von illegalen Webangeboten nach Schließung einer Internetplattform schnell Wege zu anderen Angeboten finden. Und, so die Analyse: „die Abschaltung von kino.to führte zu einer viel mehr fragmentierte Struktur des Marktes für nicht lizenziertes Film-Streaming.“ Das könnte es schwerer machen, gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen.
„Anti-Piraterie-Maßnahmen kosten große Mengen öffentlicher Mittel“, heißt es an einer Stelle der Studie. „Das suggeriert, hier würden Steuermittel vergeudet“, meint GUV-Geschäftsführer Leonardy. „Kriminalitätsbekämpfung – um nichts anders geht es hier –„ sei unbestritten eine öffentliche Aufgabe. Der harsche Ton ist wohl nur erklärlich, wenn man weiß, dass die EU derzeit über Maßnahmen zur „Verbesserung des Schutzes und der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums“ (auch bekannt als IPRED 2) verhandelt (siehe zuletzt News vom 23. Februar 2015). Nachdem der federführende Rechtsausschuss (JURI) seinen Bericht zum „EU-Aktionsplan für einen neuen Konsens über die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten“ am 18. Mai 2015 beschlossen hat, wird jetzt darüber im Europaparlament beraten und abgestimmt.

Pressekontakt: info@urheber.info