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Diskurs

Samstag, 30.11.2013

Urhebervertragsrecht verfassungskonform – Konsequenzen ziehen

Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Durchsetzung angemessener Vergütungen und zum Urhebervertragsrecht (siehe News vom 28. November 2013) kommentiert Gerhard ...

Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Durchsetzung angemessener Vergütungen und zum Urhebervertragsrecht (siehe News vom 28. November 2013) kommentiert Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht:
Es ist unbestritten, dass zum funktionierenden Kulturstaat auch geordnete Wirtschafts- und Vertragsbeziehungen zwischen kreativen Menschen – Urhebern, ausübenden Künstlern – und Kulturunternehmen – Verlagen, Produzenten, Sendeunternehmen – gehören. Bekannt ist aber auch, dass hier oft die „Augenhöhe” fehlt, mit der Folge, dass der schwächere Vertragspartner, in der Regel der Urheber oder die Künstlerin, den Kürzeren ziehen, also sich gezwungen sehen, einen unvorteilhaften Vertrag abzuschließen, um überhaupt einen Auftrag zu bekommen.
Das Urhebervertragsrecht, erweitert im Jahr 2002, soll diesem Zustand abhelfen. Es gibt in § 32 UrhG dem Urheber einen gesetzlichen Anspruch auf eine „angemessene Vergütung”. Ist er der Auffassung, in einem Vertrag schlecht abgeschnitten zu haben, kann er ihn darauf überprüfen lassen, ob seine Vergütung angemessen war und ggf. einen „Nachschlag” verlangen.
Dies taten nach Inkrafttreten des Gesetzes zuerst und vor allem Übersetzer. Nachdem Verhandlungen mit den Verlegern kein befriedigendes Ergebnis gebracht hatten, setzten sie in einigen Musterprozessen mit Hilfe des Bundesgerichtshofs (BGH) die gerichtliche Festsetzung von Mindestvergütungen durch.
Einer der unterlegenen Verlage sah sich durch diese Urteile in seiner Berufsfreiheit verletzt und begehrte die Feststellung, dass es dem Gesetzgeber versagt sei, durch Regelungen wie den § 32 in seine Freiheit, Vergütungen auszuhandeln, einzugreifen. Dies geschehe, wenn er Maßstäbe setze, die dann zu solchen Urteilen wie denen des BGH führten, die dem Verleger Vorgaben für die Festlegung der Übersetzervergütungen machten.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit des Verlegers abzuwägen gegen die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Berufsausübung notfalls durch zwingendes Gesetzesrecht zu begrenzen, um sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenzuwirken. Er musste mit anderen Worten prüfen, ob der Gesetzgeber, der Deutsche Bundestag, das Urhebervertragsrecht überhaupt normieren durfte, insbesondere § 32 ins Gesetz aufnehmen durfte.
Ergebnis der Prüfung: Der Gesetzgeber darf so vorgehen.
Das BVerfG verweist in seiner Begründung auf zahlreiche andere Sachverhalte, in denen der Gesetzgeber auf Vertragsverhältnisse regulierend einwirkt, sei es im Verbraucherschutz oder im Mietrecht, immer mit dem Ziel, den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft aufrecht zu erhalten, wobei er einen weiten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum hat. Hier ging es vor allem darum, Urhebern in einer schwachen Position und mit einem niedrigen Einkommen zu einer ihrer Leistung angemessenen Vergütung zu verhelfen.
Es ist zu hoffen, dass dieses richtungweisende Urteil dazu beitragen wird, die schwelenden Streitigkeiten zwischen Urheberorganisationen und Verwertern auf der Grundlage der Bestätigung des § 32 zu beenden. Immerhin steht jetzt fest, dass das Urhebervertragsrecht verfassungskonform ist, und diese Gewissheit sollte dazu beitragen, noch offene Fragen kooperativer als bisher zu entschärfen.
Sind erst einmal in ausreichendem Umfang die in § 36 vorgesehen Vergütungsvereinbarungen zwischen Urheberorganisationen und Verwertern geschlossen – dort, wo nicht ohnedies Tarifverträge die Verhältnisse ordnen –, wird es einfacher werden, den Herausforderungen der Informationsgesellschaft gemeinsam zu begegnen. Denn die Fronten verlaufen ja in Wirklichkeit nicht zwischen Urhebern und ausübenden Künstlern und ihren Verwertern, sondern zwischen den „Contentproduzenten”, zu denen beide Seiten gehören, und denjenigen, die mit Hilfe des Internets den Content nutzen wollen, aber immer weniger bereit sind, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen, also den Plattformbetreibern und Googles dieser Internetwelt sowie ihren Töchtern und Enkelinnen, die zwar mit Werbeeinnahmen Milliarden generieren, aber nicht bereit sind, für die Werke, die sie transportieren, angemessen zu zahlen.
Da sie meist nicht aus Deutschland operieren, hilft das deutsche Urhebervertragsrecht gegen sie nur wenig. Umso wichtiger, dass sich die EU mit der Frage der angemessenen Vergütung möglichst bald auseinander setzt. Es ist zu wünschen, dass der Deutsche Bundestag bei der Abarbeitung der Koalitionsvereinbarung ,die ebenfalls eine Stärkung des Urhebervertragsrecht anvisiert, auch diesen Zusammenhang in den Blick nimmt.

Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht

Pressekontakt: info@urheber.info