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Diskurs

Donnerstag, 31.05.2018

Schwache Leistung: EU-Rat einigt sich nur auf Minimalkonsens

Kommentar | In Brüssel liegen Rat und Parlament auf der Zielgeraden bei der Verabschiedung der Positionen zur Urheberrechtsrichtlinie. Während der Rechtsausschuss des Parlaments am 20. oder 21. Juni eine gemeinsame Position beschließen will, hat der Rat, di...

Kommentar | In Brüssel liegen Rat und Parlament auf der Zielgeraden bei der Verabschiedung der Positionen zur Urheberrechtsrichtlinie. Während der Rechtsausschuss des Parlaments am 20. oder 21. Juni eine gemeinsame Position beschließen will, hat der Rat, die Vertretung der Mitgliedsstaaten, am 25.Mai 2018 auf Vorschlag der bulgarischen Präsidentschaft seine Stellungnahme zum Vorschlag der Kommission vom 14. September 2016 beschlossen, die nun Grundlage für die Kompromissverhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament („Trilog“) wird. Dieser wird voraussichtlich ab Juli, dann unter österreichischer Präsidentschaft, stattfinden. Die Zeit drängt, denn im Jahr 2019 stehen Neuwahlen an.

Der Text des Rates ist aus Sicht der Initiative Urhebersicht nicht mehr als ein Minimalkonsens. Offensichtlich waren die Staaten – das zeigen die verschiedenen Vorversionen – in vielen Fragen nicht einig. Auch die viel beschworene deutsch-französische Achse scheint nicht viel bewirkt zu haben.

Die wesentlichen Punkte:

Presseleistungsschutzrecht:

Presseunternehmen sollen ein eigenes Leistungsschutzrecht erhalten, das sie in den Stand setzt, mit Service Providern, die mehr als „nicht substantielle“ („insubstantial“) Ausschnitte verbreiten wollen, über Lizenzverträge zu verhandeln. Statt eine einheitliche Definition für den Umfang der ohne Vertrag zulässigen Schnipselnutzung zu treffen, darf jetzt jeder Mitgliedsstaat selbst festlegen, wo die Grenze ist, das Gegenteil von Harmonisierung wird erreicht. Journalist*innen gehen dabei leer aus; selbst das geltende, in der Praxis ineffiziente deutsche Recht sichert ihnen einen Beteiligungsanspruch an den Erlösen zu, denn schließlich geht es vor allem um ihre Texte. Die Bundesregierung konnte oder wollte sich hier nicht durchsetzen, während die Parlamentsdiskussion sich in diesem Punkt bisher für einen Beteiligungsanspruch ausspricht.

Value Gap:

Politisches Ziel der Richtliniengesetzgebung sollte sein, sicherzustellen, dass Rechtsinhaber, vor allem Urheber*innen und ausübende Künstler*innen, angemessen an den Gewinnen der großen kommerziellen Plattformen beteiligt werden sollen. Der Kompromiss bleibt hier unscharf, Kritiker befürchten, dass der geforderte Zwang für Plattformen, Nutzungsverträge mit Rechteinhabern abzuschließen, dazu führen wird, dass die Beweislast umgekehrt wird: Rechteinhaber, die ihre Werke ohne Vereinbarung auf Plattformen finden, werden gezwungen, die Plattformen zu kontrollieren, ihre Werke zu benennen und ihre Rechte geltend zu machen. Dies könnte dazu führen, dass doch sog. „Upload-Filter“ eingesetzt werden, die nur die Musikwirtschaft effizient nutzen könnte.

Die von Urheberseite und aus der Wissenschaft geforderte pauschale Abgabe der Plattformen für die von Nutzer*innen zu nicht kommerziellen Zwecken hochgeladene Werke, die von Verwertungsgesellschaften der Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen verwaltet wird, findet keine Erwähnung, im Gegensatz zu den Parlamentspapieren.

Der vor allem von der Bundesregierung durchgesetzte und unsystematische „Welpenschutz“ von kleinen Startup-Plattformen, d.h. ihre weitgehende Befreiung von der Beachtung urheberrechtlicher Anforderungen der Richtlinie, ergibt keinen Sinn und schadet der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Bundesregierung hat ganz andere Möglichkeiten, diese Unternehmen zu schützen, die sie stattdessen einführen sollte. 

Urhebervertragsrecht:

In den Vorschriften zum Urhebervertragsrecht konnte der deutsche status quo in etwa gesichert werden, was für viele Mitgliedsstaaten eine erhebliche Verbesserung darstellt, für deutsche Urheber*innen enttäuschend ist, weil sie es lieber gesehen hätten, wenn ein größerer Entwurf für die europäische Zukunft gefunden worden wäre. Auch hier gehen die Überlegungen des Parlaments weiter.

Framing

:

Der Rat geht auch mit keinem Wort auf das Problem des „Framing“ ein, der vom EuGH für zulässig erklärten Übernahme von Werken aus einer Website in eine andere, ohne dafür Rechte einzuholen oder Vergütungen zu zahlen. Eine deutsche Initiative von BMJV und BKM scheitert am Widerstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (und auch für Kulturwirtschaft!) und wurde deshalb nicht auf die Tagesordnung gesetzt, zum großen Schaden der Wort- und Bildurheber*innen und Rechteverwerter.

Direkter Vergütungsanspruch für Urheber*innen und Künstler*innen:

Ebenso wenig geht der Rat auf den Vorschlag der Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen ein, für bestimmte Verwertungsformen in Fortsetzung der bisherigen Richtliniengesetzgebung z.B. zur Videovermietung einen direkten Vergütungsanspruch für Urheber*innen und Künstler*innen einzuführen, um ihnen ihren gerechten und angemessenen Anteil an den Gewinnen aus Video-on-Demand- Erlösen zu sichern. Auch dieser Anspruch wird im Parlament noch diskutiert.

Fazit:

Bisher haben weder die Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag noch der Rat zukunftsfeste Lösungen für eine modernes Urheberecht in der digitalen Informationsgesellschaft in Europa vorgelegt, was ausdrückliches Ziel des Kommissionspräsidenten Juncker und des zunächst mit der Sache befassen Kommissars Oettinger war. Bedauerlich ist auch, dass die deutsche Bundesregierung, die noch im Februar dem Rat ein ambitioniertes Papier vorgelegt hat, so wenige ihrer Ziele durchsetzen konnte. Die Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen können jetzt nur noch hoffen, dass das Parlament sich mit seinen nach derzeitigem Stand in vielen Punkten fortschrittlicheren Vorstellungen durchsetzt. Andernfalls sind die Gewinner des Gesetzgebungsprozesses die großen kommerziellen Plattformen und die Verwerter.

Alles in allem wird derjenige, der sich intensiv mit dem gesamten Prozess beschäftigt hat, das Gefühl nicht los, dass angesichts der Probleme, die daraus resultieren, dass die Kommission viel zu lange mit ihren Harmonisierungsvorschlägen gezögert und das Feld dem Europäischen Gerichtshof überlassen hat, eine zukunftsweisende Lösung fast nicht mit den Brüsseler Verfahrensregelungen zu erreichen war. Die Gefahr für die Kreativen ist groß, das am Ende der Berg gekreißt und in Bezug auf die Verbesserung ihrer Position ein Mäuschen geboren hat.

Prof. Dr. Gerhard Pfennig

Sprecher der Initiative Urheberrecht

kommentar_ini_urheberrecht_eu-rl-ratsbeschluss_2018-06-01.pdf (pdf, 158.4 KB)

Pressekontakt: info@urheber.info