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Diskurs

Mittwoch, 08.03.2017

Stellungnahme der Initiative Urheberrecht zur Änderung des Telemediengesetzes

Update | Die Initiative Urheberrecht hat gestern ihre Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eines „Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes“ (neues WLAN-Gesetz – 3.TMGÄndG) vom 23.2.2017 abgegeben....

Update | Die Initiative Urheberrecht hat gestern ihre Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eines „Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes“ (neues WLAN-Gesetz – 3.TMGÄndG) vom 23.2.2017 abgegeben.

Angesichts der extrem kurzen Bearbeitungsfrist konnte sie nur schwerpunktmäßig zu dem Entwurf Stellung nehmen. Sie betont, dass der Gesetzentwurf zentrale Fragen der Sicherung der Rechtsposition der kreativen Menschen und der Kulturwirtschaft berührt, ohne deren Werke und Leistungen die Informationsgesellschaft der Inhalte beraubt würde.

Bei der vorgeschlagenen Reform geht es im Wesentlichen um die sog. „Störerhaftung“, also die Haftung der Hotspotbetreiber für Rechtsverletzungen unter Nutzung ihrer Einrichtungen. Der Entwurf zielt auf ihre nahezu vollständige Abschaffung im Bereich der Nutzung von WLAN-Hotspots. Die Störerhaftung, insbesondere ihre Stärkung bzw. Ausformung, steht aber gleichzeitig in den Beratungen über die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform des europäischen Urheberrechts im Vordergrund. Es handelt sich dabei um eine Kernfrage eines ausgewogenen Ausgleichs der Interessen der Netzwirtschaft und der Nutzer auf schnellen und ungehinderten Zugang zu Werken einerseits und der Interessen der Urheber, Leistungsschutzberechtigten und der Kulturwirtschaft andererseits auf Sicherung ihrer in Art 17 der EU- Grundrechtecharta bzw. in Art 14 GG verbrieften Ansprüche auf Schutz des geistigen Eigentums insbesondere auch vor Piraterie und illegaler Aneignung. Sie darf nicht, so die Initiative Urheberrecht in ihrer Stellungnahme, durcheinen „Schnellschuß“ der deutschen Gesetzgebung kurz vor der Bundestagswahl präjudiziert werden.

Die Initiative Urheberrecht stellt ausdrücklich klar, dass auch die Urheber und ausübenden Künstler am Ausbau von WLAN-Hotspots und der Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten zum Internet für jedermann interessiert sind und entsprechende technische Vorhaben unterstützen, aber unter Wahrung ihrer Interessen. Insgesamt stellt sie fest, dass der Entwurf in seinem gegenwärtigen Wortlaut nicht geeignet ist, einen fairen Interessenausgleich zwischen WLAN-Betreibern und -Nutzern einerseits und Urhebern, ausübenden Künstlern und Kulturunternehmen andererseits herzustellen und empfiehlt eine gründliche Debatte und Überarbeitung unter Berücksichtigung der Interessen der Kreativwirtschaft.

10. März 2017

In der Initiative Urheberrecht arbeiten über 35 deutsche Verbände und Gewerkschaften zusammen, die die Interessen von insgesamt rund 140.000 UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen vertreten.

Rückfragen:


Initiative Urheberrecht
Katharina Uppenbrink | Geschäftsführung
Mohrenstraße 63 | D-10117 Berlin
+49 (0) 30 2091 5807 | +49 (0)160 90 95 40 16
katharina.uppenbrink@urheber.info | www.urheber.info

 
Stellungnahme der Initiative Urheberrecht zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eines „Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes“ (neues WLAN-Gesetz – 3.TMGÄndG) vom 23.2.2017

Angesichts der extrem kurzen Bearbeitungsfrist kann die Initiative Urheberrecht nur schwerpunktmäßig zu dem Entwurf Stellung nehmen. Es mag der Bundesregierung aus Gründen der bevorstehenden Beendigung der Legislaturperiode daran gelegen sein, ein anscheinend konsumentenfreundliches Gesetz zu verabschieden; dies sollte jedoch aus unserer Sicht nicht um den Preis erreicht werden, dass die notwendige vertiefte Diskussion durch kurze Fristsetzung ausgeschlossen wird.
Schon die ausgedehnte Debatte um das vorangehende „Zweite Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes“ vom 21.7.2016 hat gezeigt, dass es sich hier um – im Interesse eines Staates, dem die Errichtung der digitalen Gesellschaft wichtig ist – zentrale Fragen der Sicherung der Rechtsposition der kreativen Menschen und der Kulturwirtschaft geht, ohne deren Werke und Leistungen die Informationsgesellschaft der Inhalte beraubt würde.

Bei der jetzt vorgeschlagenen Reform der Reform geht es dazu um die Fragestellung der sog. „Störerhaftung“, genauer um ihre nahezu vollständige Abschaffung im Bereich der Nutzung von WLAN- Hotspots, die zeitgleich in den Beratungen über die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform des europäischen Urheberrechts eine wesentliche Rolle spielt. Es handelt sich um eine Kernfrage eines ausgewogenen Ausgleichs der Interessen der Netzwirtschaft und der Nutzer auf schnellen und ungehinderten Zugang zu Werken einerseits und der Interessen der Urheber, Leistungsschutzberechtigten und der Kulturwirtschaft andererseits auf Sicherung ihrer in Art 17 der EU-Grundrechtecharta bzw. in Art 14 GG verbrieften Ansprüche auf Schutz des geistigen Eigentums insbesondere auch vor Piraterie und illegaler Aneignung. Gerade angesichts der stattfindenden Diskussion dieser Fragestellung in der EU, auch unter Berücksichtigung der maßgeblichen jüngsten Entscheidungen des EUGH (z.B. „McFadden“) verbieten sich „Schnellschüsse“ wie die geplante Reform.

Unserer Ansicht nach wird durch diese nicht durchdachte Reform das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und eine populistische Position, die unbeschränkten freien Zugriff der Nutzer auf technisch erreichbare fremde Werke fordert, unterstützt. Es wird keine Rücksicht darauf genommen, dass die vorhandene Technik, mit deren Hilfe heute schon massenhaft und ohne nennenswerte Beschränkungen die Nutzung vom WLAN-Hotspots möglich ist, im Rahmen der geltenden Gesetze den geforderten Interessenausgleich ohne unzumutbare Behinderungen ermöglicht.
Der geplanten Gesetzgebung fehlt deshalb die Notwendigkeit. Der geplante, faktisch weitgehende Abbau der Möglichkeiten der Rechtsinhaber, sich gegen die Verletzung ihrer Rechte wirksam zur Wehr zu setzen, ist nicht erforderlich.Wir möchten ausdrücklich klarstellen, dass auch die Urheber und ausübenden Künstler, für die wir sprechen, am Ausbau von WLAN-Hotspots und der Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten zum Internet für jedermann interessiert sind und entsprechende technische Vorhaben unterstützen, aber unter Wahrung ihrer Interessen.

 
Im Einzelnen:

 
1.

Der Entwurf will den Zugang zu fremden Werken über öffentlich zugängliche und private WLAN-Zugänge durch weitgehende Abschaffung der Störerhaftung erleichtern. Damit werden die Interessen der Urheber und Rechtsinhaber massiv verletzt. Denn entgegen der Begründung (S.5, Abs. 4) ist die Gefahr illegaler Nutzung durch die Zunahme von entgeltlichen oder unentgeltlichen, aber werbefinanzierten Angeboten zum Download nach allen Erkenntnissen der Rechteinhaber nicht gesunken. Abgesehen davon sind wir der Auffassung, dass allein der Rückgang der Kriminalität nicht als Begründung für die Abschaffung ihrer Bekämpfung herangezogen werden kann, sondern eher als Ermutigung für deren Fortsetzung verstanden werden muss. Jedenfalls haben sich die Verhältnisse nicht so gebessert, dass die Nutzung von legalen Diensten als Argument für die Abschaffung der Störerhaftung herangezogen werden kann.

 
2.

Der Entwurf ist entgegen seiner Bezeichnung nicht trennscharf auf die WLAN-Hotspots bezogen; durch die Gliederung der Regelungen in zwei Paragrafen können Missverständnisse bei der Auslegung erzeugt werden und dazu führen, dass die Haftungsfreistellung nicht nur auf Accessprovider, also WLAN- Hotspotbetreiber, sondern generell auch auf Hostprovider ausgedehnt wird und damit wesentlich weitere Wirkungen auslöst als vom Gesetzgeber beabsichtigt.

Gerade dadurch würde er aber den Bestrebungen im Entwurf der Richtlinie der EU zuwiderlaufen.

 
3.

Die Verantwortlichkeit der gewerblichen und privaten WLAN-Anbieter wird durch den Ausschluss von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen zukünftig praktisch abgeschafft (§ 8 Abs. 1 Satz 2 TMG); damit geht der Entwurf weit über die Rechtsprechung des EUGH in „McFadden“ hinaus, der nur die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen hat. Durch den Ausschluss der Geltendmachung der Kosten für die Durchsetzung wird das Risiko der rechtlichen Klärung zudem einseitig auf die Inhaber der verletzten Rechte verlagert, die dadurch zumeist davon abgehalten werden (vielleicht auch sollen).

Lediglich gerichtliche oder behördliche Anordnungen können demgegenüber Verpflichtungen der WLAN-Betreiber zum Schutz der Rechte begründen; damit wird ein Richtervorbehalt eingeführt, der über die bestehende Rechtslage hinausgeht und die Rechtsinhaber benachteiligt, denn sie müssen sich jetzt in jedem Fall der Verletzung zunächst an die Gerichte wenden. Gerade dies wurde jedoch in der Geschichte der Rechtsdurchsetzung von Immaterialgüterrechten unter Hinweis auf die dadurch ausgelöste Überlastung der Gerichte als unbefriedigend betrachtet. Der Entwurf führt die Situation jetzt erneut herbei. Hinzu kommt eine weitere Benachteiligung der Rechteinhaber: denn der Rechtsverletzer wird für die – zwangsweise längere - Verfahrensdauer von Eingriffen in sein Handeln verschont.

 
4.

Für den Rechtsinhaber wird hier – unter der Voraussetzung, dass sein Anspruch nicht subsidiär ist –eine neue, zur Rechtsunklarheit führende Bedingung geschaffen: es wird auf die letzte noch verbleibende Anspruchsgrundlage verwiesen, nämlich „die Sperrung der Nutzung von Informationen“ zu verlangen. Auch diese Möglichkeit wird allerdings wiederum eingeschränkt, denn sie ist nur gegeben, wenn sie zumutbar und verhältnismäßig ist.

Die „Verpflichtung zur Entfernung von Informationen“ ist darüber hinaus nicht technikneutral, was angesichts der rapiden Entwicklung der Nutzungstechniken jedoch zu fordern ist. Andernfalls führt sie zu Rechtsunklarheiten, die wiederum die Gerichte beschäftigen und die Rechtsdurchsetzung in die Länge ziehen werden, zum Nutzen der Schädiger. Im Übrigen ist fraglich, inwieweit sie überhaupt dazu geeignet ist, die Interessen der Urheber oder Rechtsinhaber zu fördern. Denn das Risiko der Kostentragung hat der Kläger, also der verletzte Rechtsinhaber. Insgesamt erscheint die Regelung prohibitiv, sie scheint dazu angelegt, im Interesse der Hotspot-Betreiber die Rechtsinhaber davon abzuschrecken, gegen Rechtsverletzungen unter Nutzung von WLAN- Hotspots vorzugehen.

 
5.

Insgesamt ist aus unserer Sicht festzustellen, dass der Entwurf in seinem gegenwärtigen Wortlaut nicht geeignet ist, einen fairen Interessenausgleich zwischen WLAN-Betreibern und – Nutzern einerseits und Urhebern, ausübenden Künstlern und Kulturunternehmen andererseits herzustellen. Wir empfehlen eine gründliche Debatte und Überarbeitung unter Berücksichtigung auch der Interessen der letzteren.

 
Prof. Dr. Gerhard Pfennig
Sprecher der Initiative Urheberrecht

9. März 2017

* Der besseren Lesbarkeit wegen wird nur die männliche Form verwendet, selbstverständlich sind auch die UrheberInnen, und ausübenden Künstlerinnen, Nutzerinnen etc. gemeint.

170309_tmg_stellungnahme-ini-urheberrecht.pdf (pdf, 385.68 KB)

Pressekontakt: info@urheber.info