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Diskurs

Dienstag, 09.05.2017

LG Berlin bringt Leistungsschutzrecht vor den EuGH

Die rechtliche Auseinandersetzung um das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverlage geht vor den Europäischen Gerichtshof. Auf Beschluss des Berliner Landgerichts soll der EuGH entscheiden, ob Deutschland die EU-Kommission über das Gesetz in einem Notifizierungsverfahr...

Die rechtliche Auseinandersetzung um das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverlage geht vor den Europäischen Gerichtshof. Auf Beschluss des Berliner Landgerichts soll der EuGH entscheiden, ob Deutschland die EU-Kommission über das Gesetz in einem Notifizierungsverfahren hätte informieren müssen.
In dem Verfahren vor dem Landgericht Berlin verlangt die VG Media von Google Schadensersatz, weil der Suchmaschinenkonzern durch das Anzeigen von Textanrissen (Snippets) und Vorschaubildern in den Google-Suchdiensten Werbeeinnahmen erziele, sich aber weigere die Presseverlage daran zu beteiligen. Das LG Berlin hält die Klage der Verleger-Verwertungsgesellschaft für „teilweise begründet”, wie es in seiner Pressemitteilung heißt, traf am 9. Mai 2017 aber noch keine Entscheidung, sondern wandte sich in seinem Beschluss (Az.: 16 O 546/15) an den EuGH. Das Verfahren beim Landgericht werde vorerst ausgesetzt, sagte der Vorsitzende Richter Peter Scholz laut Spiegel Online.
In einem Vorabentscheidungsverfahren soll der EuGH nun entscheiden, ob Deutschland die EU-Kommission in einem Notifizierungsverfahren vor der Verabschiedung des Leistungsschutzrechts hätte beteiligen müssen. Das wäre der Fall, wenn Anbieter von Suchmaschinen unter den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie 98/34/EG von 1998 fallen oder wenn das deutsche Gesetze „technische Vorschriften” im Sinne der Richtlinie enthalte, die speziell auf „Dienste der Informationsgesellschaft” zielen.
Entscheidet der EuGH, dass diese Notifizierung nötig gewesen wäre, dürfte das Gesetz nicht angewendet werden, meint das Berliner Landgericht. Das Bundesjustizministerium der schwarz-gelben Koalition hatte sich 2013 gegen die Notifizierung der EU-Kommission entschieden, wohl nicht zuletzt, weil es sonst kaum möglich gewesen wäre, das Leistungsschutzrecht noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 zu verabschieden (siehe News vom 1. März 2013).
„Die Bundesregierung ging und geht, anders als das Landgericht Berlin, weiterhin davon aus, dass eine Notifizierungspflicht bei Erlass des Leistungsschutzrechts der Presseverleger nicht bestand und das Gesetz daher anwendbar ist. Die VG Media schließt sich dieser Auffassung an“, erklärte deren Geschäftsführer Markus Runde zu dem Gerichtsbeschluss.
„Das Landgericht hat bestätigt, dass das Leistungsschutzrecht mit heißer Nadel gestrickt und kurz vor dem Ende der letzten Legislaturperiode durch den Bundestag gejagt wurde“, urteilt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. „So hilft das niemandem, den Urhebern nicht, um deren Werke es bei dem Deal eigentlich geht, aber den Verlagen auch nicht, weil der Gesetzgeber gepfuscht hat.“ Selbst wenn der EuGH die Notifizierung nicht für erforderlich halte, werde das Verfahren zweifellos noch über Jahre durch die Instanzen getrieben.
„Spätestens jetzt muss die Europäische Kommission Günther Oettingers Pläne für ein EU-weites Leistungsschutzrecht fallen lassen”, kommentierte Julia Reda, Europaabgeordnete der Piraten, den Gerichtsbeschluss. „Im Europaparlament stoßen sie auf breite Ablehnung: 69 Abgeordnete aus allen Fraktionen haben meinen Antrag mitgezeichnet, das Vorhaben aus der geplanten Urheberrechtsreform zu löschen.”
Im Rechtsstreit über das Leistungsschutzrecht für Presseverleger gibt es gleich mehrere Verfahrensstrenge. In dem vor dem Landgericht Berlin geht es um die eigentliche Vergütung. Hier hatten die Verleger Zivilklage gegen den US-Suchmaschinenkonzern eingereicht (siehe News vom 6. Januar 2016), nachdem die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes am 24. September 2015 entschieden hatte, der von der VG Media aufgestellte Tarif sei zwar anwendbar, aber zu hoch (siehe News vom 25. September 2015).
Im zweiten Verfahrensstrang geht es ums Kartellrecht. Ende Juni hatten elf deutsche Verlagsgruppen Rechtsmittel gegen ein Urteil der Kartellkammer des Landgerichts Berlin eingelegt (siehe News vom 28. Juni 2016). Ob auch die von Verlagen getragenen Verfahren durch „Kostenbeteiligung“ an der VG Media erfasst sind, ist unklar. Die Verwertungsgesellschaft selbst hatte im Kartellverfahren vor dem Bundeskartellamt im September 2015 bereits die zweite Niederlage erlitten (siehe News vom 9. September 2015).
Und der dritte Verfahrensstrang wurde eingeleitet, weil das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) der Verwertungsgesellschaft eine Gratislizenz für den Suchmaschinenkonzern Google untersagt hatte (siehe News vom 5. Juli 2016). Das entsprechende Verfahren bei der Staatsaufsicht war im Oktober 2014 von Amts wegen eröffnet worden. Zuvor hatten die in der VG Media organisierten Verlage Google für die Nutzung von Vorschaubildern und Textauszügen in den Suchergebnissen eine widerrufliche Gratiseinwilligung erteilt (siehe News vom 23. Oktober 2014 und News vom 5. November 2014).

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