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Diskurs

Mittwoch, 22.02.2017

Stellungnahme der Initiative Urheberrecht zum UrhWissG

Update | Das Bundesjustizministerium hat seinen Referentenentwurf für ein „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz“ (UrhWissG) veröffentlicht, diese und an die interessierten Verbände und Institutionen übermittelt (siehe

Update | Das Bundesjustizministerium hat seinen Referentenentwurf für ein „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz“ (UrhWissG) veröffentlicht, diese und an die interessierten Verbände und Institutionen übermittelt (siehe News vom 1. Februar 2017).

Die Initiative Urheberrecht unterstützt die Reformüberlegungen im Entwurf des BMJV, urheberrechtlich geschützte Werke im gebotenen Umfang zu Zwecken des Unterrichts und der Vermittlung von Bildungsinhalten und Wissen zu erschließen. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass die Ansprüche auf angemessene Vergütung für die Nutzungen der Werke durch Schulen und Bildungseinrichtungen oft sehr schwer durchzusetzen sind. Die Initiative kritisiert deshalb, dass sich der Entwurf gegenüber den unausweichlichen Steigerungen der Kosten ausschweigt.

Es kann nicht sein, dass der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungszuständigkeit den Zugang zu Werken für Unterricht, Bildung, Wissenschaft und Forschung noch weiter erleichtert und seiner gesamtgesellschaftlichen Forderung nachkommt, aber die Länder, die eigentlichen Profiteure der Neuregelungen, sich wahrscheinlich nicht in der Lage sehen werden, für die zusätzlichen Kosten aufzukommen. Den Kreativen – und ggf. auch den Verlagen – wird zugemutet, nun sogar in erweitertem Umfang die Zeche zu zahlen.

Die Initiative Urheberrecht begrüßt den Ansatz des Entwurfs, die zukünftigen Nutzungsbefugnisse bereichs- bezogen zu konkretisieren und weitgehend auf unbestimmte Rechtsbegriffe zu verzichten, die notwendiger- weise die Auslöser von Rechtsstreitigkeiten sind. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind andererseits geeignet, unterschiedliche Sachverhalte, wie die sehr variantenreichen Nutzungen von Werken im Bildungsbereich, vollständig zu erfassen. Deswegen kann nicht in jedem Fall auf sie verzichtet werden.

Der Entwurf dehnt im Übrigen die mehrfach verwendete Formulierung den im geltenden Recht verwendeten Begriff „kleine Teile“ auf „bis zu 25 %“ aus. Eine derart ausgeweitete Nutzungsbefugnis ist nicht angemessen, da bei geschickter Auswahl die nahezu vollständige Nutzung kompletter Werke möglich ist und damit einen unzulässigen Eingriff in die Verwertungsrechte der UrheberInnen darstellt. Die Digitalisierung der Bildungsmedien schafft außerdem weitgehend neue Sachverhalte und erweiterte Nutzungsmöglichkeiten insbesondere von audiovisuellen Werken. Eine pauschale Nutzung von bis zu 10 % des vorbestehenden Werks wird im Entwurf vorgeschlagen, dies stellt bei audiovisuellen Werken einen erheblichen Umfang dar – insbesondere in einem Markt, in dem bereits der Umfang einer Minute vergütungsrelevant ist.

Im Übrigen teilt die Initiative Urheberrecht die Einschätzung des Entwurfes nicht, dass die Nutzung von Werken in Schulklassen „nicht öffentlich“ sei.

 

Stellungnahme der Initiative Urheberrecht
zum Referentenentwurf der Bundesregierung zur Bildungs- und Wissenschaftsschranke
(Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG)

 


1. Vorbemerkung

Die UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen* in der Initiative Urheberrecht haben in der Vergangenheit den mit den Reformüberlegungen verbundenen Ansatz des Referentenentwurfs, urheberrechtlich geschützte Werke im gebotenen Umfang zu Zwecken des Unterrichts und der Vermittlung von Bildungsinhalten und Wissen zu erschließen, vorbehaltlos unterstützt.
Sie haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass es in der Praxis immer auf erhebliche Schwierigkeiten stieß, ihre Ansprüche auf angemessene Vergütung für die Nutzungen ihrer Werke durch (meist unter Länderhoheit verwalteten) Schulen und Bildungseinrichtungen durchzusetzen.
Insofern ist auch der Entwurf überaus unbefriedigend: Zwar erwähnt er in vielen Punkten die Notwendigkeit der Zahlung von angemessenen Vergütungen, in Bezug auf die mit seiner Umsetzung verbundenen unausweichlichen Steigerungen der Kosten für den Erwerb von Inhalten bei den nutzenden Instituten schweigt er sich jedoch unüberhörbar aus, dies ist nicht allein mit den verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten zu erklären.

Hierzu nehmen wir im Weiteren in der Kommentierung zu § 60 h UrhG-E ausführlich Stellung:

Die Initiative begrüßt ausdrücklich das Vorhaben des Entwurfs, die erlaubten Nutzungen jeweils an gesetzliche Ansprüche auf angemessene Vergütungen für die Urheber zu knüpfen, die nur über Verwertungsgesellschaften geltend zu machen sind. Dies sollte dann allerdings zukünftig konsequent auch dort vorgesehen werden, wo Verleger zum Beispiel von Schulbüchern auch weiterhin (von Autoren abgetretene) Exklusivrechte (in § 60 a Abs. 3 Ziff. 2) behalten sollen.


2. Regelungen über die künftigen Nutzungsbefugnisse für Unterricht, Forschung und Wissensinstitutionen

Die Initiative Urheberrecht begrüßt den Ansatz des Entwurfs, die zukünftigen Nutzungsbefugnisse bereichsbezogen zu konkretisieren und weitgehend auf unbestimmte Rechtsbegriffe zu verzichten, die notwendigerweise die Auslöser von Rechtsstreitigkeiten sind. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind andererseits geeignet, unterschiedliche Sachverhalte, wie die sehr variantenreichen Nutzungen von Werken im Bildungsbereich vollständig zu erfassen. Deswegen kann nicht in jedem Fall auf sie verzichtet werden. Zudem ist der Entwurf nicht konsequent, zum Beispiel bei der Neugestaltung der Katalogbildfreiheit.

Zu einzelnen Vorschlägen äußern wir uns wie folgt:

a) § 51 UrhG-E: Nutzung von Abbildungen der zitierten Werke

Im Bereich der Nutzung von Kunstwerken erfasst die Schranke schon im geltenden Recht die Nutzung vollständiger Werke und geht damit über die Zulässigkeit in anderen Werkkategorien hinaus. Nunmehr beabsichtigt der Entwurf, auch die Nutzung der Abbildungsvorlagen in die Schranke einzubeziehen. Dies ist deshalb problematisch, weil die Abbildungen in der Regel nicht von den Urhebern der abgebildeten Werke geschaffen wurden. Gerade bei Fotografien von Skulpturen und Kunstformen wie Performances handelt es sich meist um hochwertige Lichtbildwerke bzw. neuerdings sogar um Filme und Datenträger, die teilweise eigenständige Erwerbsgrundlagen für die Urheber, aber auch für Museen bilden, die die jeweiligen fotografischen oder audiovisuellen Urheber beschäftigen und bezahlen und sich die Nutzungsrechte einräumen lassen.
Aus praktischen Gründen verbietet sich eine Unterscheidung in Abbildungsvorlagen, die
„Lichtbildwerke“ sind und solche, die als „einfache Lichtbilder“ gemäß § 72 zu betrachten sind. Wir schlagen deshalb vor, Absatz 3 des Entwurfs zu streichen, zumal eine durchgreifende Begründung für die Änderung dem Entwurf nicht zu entnehmen ist.


b) § 58 UrhG-E: Katalogbildfreiheit

Die geltende Fassung des § 58 ist das Resultat einer gründlichen und praxisbezogenen Reform im Zusammenhang mit der Umsetzung der „InfoSoc-Richtlinie“ im Jahr 2003 und wird den Bedürfnissen der Praxis gerecht.
Die jetzt vorgeschlagene erneute Änderung und Einbeziehung einzelner Elemente aus § 58 Abs. 2 im §§ 60 e und f E verunklart den Anspruch der Neuregelung, bereichsbezogene und für die Praxis verständliche Regelungen für bestimmte Nutzungsbereiche zu schaffen. Sie wird in der Praxis nicht verstanden werden und zu Missverständnissen führen.
Wir schlagen daher vor, § 58 Abs. 2 unverändert in § 60 f als Absatz 3 zu übernehmen und damit sicher zu stellen, dass die von Rechtsprechung und Praxis gefundenen Auslegungen fortbestehen.

(1) Umfang der zulässigen Übernahme

Der Entwurf dehnt die bisher in einer Reihe von Schrankenregelungen verwendete Formulierung „kleine Teile“, auf „bis zu 25 %“ aus. Auch wenn das Ziel des Entwurfs, Unterricht und Forschung
einen erleichterten Zugang zu geschützten Werken zu verschaffen, von der Initiative Urheberrecht grundsätzlich unterstützt wird, ist der vorgesehene Nutzungsumfang insbesondere unter Berücksichtigung des „Drei-Stufen-Tests“ und der einführend beschriebenen Probleme der Durchsetzung angemessener Vergütungen für eine derart ausgeweitete Nutzungsbefugnis nicht angemessen. Wir halten diese Ausdehnung für nicht vertretbar. Sie ermöglicht bei geschickter Auswahl die nahezu vollständige Substitution der Nutzung kompletter Werke durch die Schranke und stellt damit einen unzulässigen Eingriff in die Verwertungsrechte der Urheber dar.
Wir schlagen stattdessen vor, den unbestimmten Rechtsbegriff des „gebotenen Umfangs“, verbunden mit einer Obergrenze von maximal 10 % einzusetzen, da die prozentuale Bestimmung des zulässigen Umfangs – zumal in der Höhe von 25 % – der Unterschiedlichkeit der zu Grunde liegenden Medien nicht gerecht wird.
In jedem Fall muss sichergestellt werden, dass die Vergütungen in den Verwertungsgesellschaften den Urhebern und Verlegern im Rahmen der Verteilungspläne in einer Weise zu Gute kommen, die auch die Zahlung von primären Vergütungen berücksichtigt.

(2) Beteiligung der Urheber von Schulbüchern

In der bestehenden Praxis haben die Schulbuchverlage aufgrund ihres von den Autoren erworbenen Exklusivrechts eine wesentlich höhere Vergütung für die Nutzung ihrer Werke durchsetzen können als andere Verleger und Urheber. Dabei bleibt es nach der derzeitigen Regelung dem Verlag überlassen, die Autoren im Rahmen der Autorenverträge zu beteiligen oder auch nicht, solange nicht Gemeinsame Vergütungsregeln eindeutige Festlegungen treffen. Deshalb schlagen wir vor, auch für den Fall des § 60a Abs. 3 Ziff. 2 dann eine Vergütungspflicht für die Autoren über Verwertungsgesellschaften vorzusehen, wenn Schulbuchverleger die Nutzung der Schulbücher im Rahmen von Gesamtverträgen ermöglichen.

d) § 60 b UrhG-E: Unterrichts- und Lehrmedien

(1) Nutzung audiovisueller Werke zur Produktion von Bildungsmedien

Die Digitalisierung der Bildungsmedien schafft weitgehend neue Sachverhalte und erweiterte Nutzungsmöglichkeiten insbesondere von audiovisuellen Werken. Die Vorschrift ermöglicht unter diesen Voraussetzungen – so undifferenziert in Bezug auf Werkkategorien, wie sie formuliert ist – zu Gunsten der Hersteller von Bildungsmedien weitgehende und schwerwiegende Eingriffe in Exklusivrechte insbesondere von Urhebern und Produzenten audiovisueller Werke, die wirtschaftlich von großer Bedeutung sind. Sie verletzt damit die Grundsätze des „Drei-StufenTests“. So wird etwa die bisher bestehende und genutzte Möglichkeit der individuellen Einräumung von Rechten an sogenannten „Klammerteilen“, durch den Gesetzesvorschlag zu § 60 b beseitigt, soweit 10 % des vorbestehenden Werks nicht überschritten wird. Dabei ist mit diesen Ausschnitten sowohl verwertungsrechtlich, wie auch persönlichkeitsrechtlich höchst sensibel umzugehen. Auch sind 10 % des vorbestehenden Werks bei audiovisuellen Werken ein erheblicher Umfang. Eine Schrankenregelung mit Vergütungsanspruch kann den drohenden Verlust nicht ausgleichen, der entstehen würde, wenn 10 % eines audiovisuellen Werkes ohne weiteres vom Hersteller von Bildungsmedien genutzt werden dürften, in einem Markt, in dem bereits der Umfang einer Minute vergütungsrelevant ist.
Ähnliches gilt für die „White Board“-Nutzung von sonstigen Werken, vor allen auch stehender Bilder. Heute, da nahezu jeder Klassenraum mit einem derartigen oder ähnlichen Projektionsmittel ausgestattet ist, würde durch den Vorschlag zu § 60b ein Nutzungsumfang erreicht, der über die Üblichkeiten des analogen Zeitalters weit hinausgeht und dem die für analoge Nutzungen angemessenen Vergütungssysteme nicht mehr gerecht werden.
Wir schlagen auch hier vor, die unbestimmten Rechtsbegriffe der „kleinen Teile“ und des „gebotenen Umfangs“ beizubehalten und von der undifferenzierten Pauschalierung abzusehen.

(2) Öffentlichkeitsbegriff in Bezug auf Schulveranstaltungen

Wir teilen nicht die Einschätzung des Regierungsentwurfes in der Begründung zu § 60a Absatz 1, die Nutzung von Werken in Schulklassen sei nicht öffentlich im Sinne des § 15 Abs. 3. Von einer dahingehenden einheitlichen Rechtsprechung kann keine Rede sein. Die bisherige Schranke für die öffentliche Zugänglichmachung für einen abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern in § 52a wäre unnötig, wenn Schulklassen keine Öffentlichkeit darstellen würden.
Bei der Vorführung von audiovisuellen Werken in Klassen handelt es sich um eine wesentliche Einnahmequelle von Filmurhebern insbesondere des Dokumentarfilms, in deren Rechte mit der Schrankenregelung eingegriffen wird. Ihnen wäre geholfen, wenn die Vorführung ihrer Werke als „öffentlich“ definiert wäre. Die Reform sollte also genutzt werden, dies klar zu stellen.

 e) § 60 f UrhG-E: Archive, Museen und Bildungseinrichtungen

Zur Verdeutlichung der Befugnisse von Museen, im Rahmen der bisher üblichen Kataloge heraus zu geben, verweisen wir auf die Ausführungen zu b.

f) § 60 h: Angemessene Vergütung der gesetzlich erlaubten Nutzungen

(1) Strukturelle Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der angemessenen Vergütung

Maßstab zur Bemessung der Angemessenheit ist in den von den Verwertungsgesellschaften der Urheber und ausübenden Künstler geführten Vergütungsverhandlungen in der Regel nicht § 32 UrhG. Die Länder und ggf. die Bildungseinrichtungen haben es sich vielmehr zur Gewohnheit gemacht, die Angemessenheit in erster Linie unter Hinweis auf die von ihnen definierte
„Haushaltslage“ zu beschränken und alle noch so berechtigen Forderungen an dieser von ihnen selbst gesetzten Grenze zu messen und begrenzen. So wurden Bildungs- und Unterrichtszwecke seit Einführung der Schrankenregelungen zu Gunsten von Schule, Bildung, Wissenschaft und Forschung von den Urhebern der in Bildungsmedien enthaltenen Werke in erheblichem Umfang unfreiwillig subventioniert, von einer Personengruppe, die selbst die größte Mühe hat, von den Erträgen ihrer Arbeit angemessen zu leben.
In der jüngeren Diskussion wird zudem, auch in von der Bundesregierung präsentierten Gutachten – zum Beispiel Haucap et al. „Ökonomische Auswirkungen einer Bildungs-und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht“ Juli 2016, S. 98 ff – der irreführende Eindruck erweckt, Forderungen auf Anpassung der angemessenen Vergütung im Zusammenhang mit Schrankenregelungen zu Gunsten der Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten seien schon deshalb überzogen, weil die fordernden Urheber, die selbst im Bildungsbetrieb publizierend tätig seien, schon heute für ihre Publikationen in Zeitschriften meist gar keine und über die Ausschüttungen der VG Wort für Vervielfältigungen im Rahmen der Schranken nur geringe Vergütungen erhielten, von denen keine „Publikationsanreize“ ausgehen. Lediglich für Buchpublikationen werden Honorare gezahlt.
Derartigen Auffassungen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Höhe der erforderlichen Zahlungen für die Erweiterung der Schrankenregelungen ist zu widersprechen: die derzeitig schlechte urhebervertragliche Situation im Bereich der Publikationen von Bildungs- und Wissenschaftsinhalten kann kein Alibi dafür sein, auch in Zukunft die durch Anpassung der angemessenen Vergütungen für zulässige Nutzungen erforderliche Besserstellung der Autoren auszuschließen. Die Mehrzahl der Autoren, für die wir sprechen, die im Bereich Schule, Bildung, Wissenschaft und Forschung publizieren bzw. deren Werke genutzt werden, haben keine Festanstellung, und wenn, dann eine prekäre, meist im Rahmen von Scheinselbständigkeit. Gerade in vielen Fällen der wissenschaftlichen Publikation wird den Urhebern zunehmend der Verzicht auf die angemessene Vergütung für die Erstpublikation zugemutet, so dass für diese Gruppe die Teilnahme an den Folgevergütungen für Schrankennutzungen besondere Bedeutung hat. Die Debatte um das Urhebervertragsrecht hat nämlich gezeigt, dass hohe Erträge bei wissenschaftlichen Verlagen, soweit sie festgestellt werden können, keinesfalls automatisch mit hohen Vergütungen der an den Verlagsprodukten beteiligten Autoren korrespondieren.
Weil er diese, aus unserer Sicht falschen, Voraussetzungen zu Grunde legt, ist der Entwurf überaus unbefriedigend: zwar erwähnt er in vielen Punkten die Notwendigkeit der Zahlung von angemessenen Vergütungen, in Bezug auf die aus unserer Sicht mit seiner Umsetzung verbundenen unausweichlichen Steigerungen der Kosten für die Zahlung der mit der Erweiterung der Schrankenregelungen verbundenen angemessenen Vergütung von Inhalten bei den nutzenden Instituten geht er jedoch an der Realität vorbei. In der Vorbemerkung wird unter Buchstabe D.
„Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand“ formuliert: „... die Ausgaben für Zahlungen an Verwertungsgesellschaften werden sich durch den Entwurf im Ergebnis voraussichtlich nicht wesentlich verändern“. Im Gegenteil sind wir der Auffassung, dass die wesentlichen Erweiterungen der Schranken notwendigerweise schon aus quantitativen Gründen zu einer erheblichen Erhöhung der Zahlungen, allerdings meist von den Ländern aufzubringen, führen werden, ganz zu schweigen von den notwendigen Steigerungen, die erforderlich sein werden, um die Vergütungen auf das Niveau der „Angemessenheit“ zu heben.
Aus der Sicht der Kreativen droht auf der Grundlage dieses Entwurfs die Fortsetzung der bestehenden Situation: der Bund erleichtert im Rahmen seiner Gesetzgebungszuständigkeit den Zugang zu Werken für Unterricht, Bildung, Wissenschaft und Forschung noch weiter und kommt einer gesamtgesellschaftlichen Forderung nach, aber die Länder, im System des Bildungsföderalismus die eigentlichen Profiteure der Neuregelungen, werden sich ohne zusätzliche Bemühungen des Bundes nicht in der Lage sehen, für die zusätzlichen, im Entwurf verschleierten Kosten aufzukommen. Den Kreativen – und ggf. auch den Verlagen – wird am Ende zugemutet, auch weiterhin und nun sogar in erweitertem Umfang die Zeche zu zahlen.

(2)Technologieneutrale Ausgestaltung des § 54 c § 60 h UrhG-E nimmt in Abs. 1 Bezug auf die §§ 54 bis 54 c

Wir weisen darauf hin, dass die bisherige Vergütungsregelung zur Betreibervergütung nach § 54 c lediglich auf „Betreiber von Ablichtungsgeräten“ ausgerichtet ist. Digitale Speicherungen, die nunmehr aufgrund der Reform ermöglicht werden sollen, bleiben ausgeschlossen, wenn nicht der Wortlaut des § 54 c technologieneutral angepasst wird. Wir schlagen deshalb dringend eine technologieneutrale redaktionelle Anpassung des § 54 c vor, um dem Ziel gerecht zu werden, das § 60 h postuliert.


(3) Vergütungspflicht für Nutzungen im Rahmen der Katalogbildfreiheit


Angesichts der zunehmenden Praxis der Veranstalter von Ausstellungen bzw. der Verleger von Katalogen, auch für genehmigungspflichtige Nutzungen von künstlerischen Werken (Entwurf § 58 Abs. 1) gegenüber den Urhebern aus Ersparnisgründen auf Freistellung, d.h. Vergütungsbefreiung zu bestehen, schlagen wir vor in § 60 h – oder in der Begründung – in redaktioneller Überarbeitung von § 60 h Abs. 2 Ziff. 2 klar zu stellen, dass auch Nutzungen auf der Basis von § 58 bzw. § 60 e und f E angemessen zu vergüten sind.

(4) Feststellung von Nutzungshandlungen als Grundlage für die Bemessung der Vergütung

Aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung haben sich die unterschiedlichen Auffassungen der Rechteinhaber und der Rechtenutzer über die Dokumentation von Nutzungen als Grundlage für die Berechnung der angemessenen Vergütung zu einer Kontroverse aufgeschaukelt, die der allgemeinen Akzeptanz des Systems der Schrankenregelungen abträglich ist, weil beide Seiten Extrempositionen eingenommen haben. Der Entwurf macht es sich allerdings zu einfach, wenn er angesichts dieser kontroverse lapidar ausführt, „eine pauschale Vergütung“ (ohne Dokumentation?) oder „eine repräsentative Strichprobe“ genüge.
Festgehalten werden sollte das Prinzip, dass dort Angaben zur Nutzung gegeben werden müssen, wo dies unter Verwendung vorhandener Dokumentationen ohne größeren Aufwand möglich ist. Liegen solche Informationen bei den Nutzern nicht vor, sollten die Parteien verpflichtet werden, Lösungen zu suchen, die mit angemessenem Aufwand zu dem gewünschten und mit den Regeln des VGG zur korrekten Zuordnung von Rechten korrespondierenden Erfolg einer ausreichenden Dokumentation führen.


3. E-Lending

Autoren aller Kategorien haben Verständnis für den Wunsch der Nutzer öffentlicher Bibliotheken, moderne Formen des Verleihens, darunter das „E-Lending“ einzusetzen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden jedoch höchst unterschiedliche Positionen in der Urheberschaft darüber vertreten, inwieweit die schrankenlose Einführung des „E-Lending“ee, auch unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des EuGH (Stichting Leenrecht), unterstützt werden sollte oder nicht.
Wir begrüßen die Haltung des BMJV, diese Frage zunächst offen zu halten um zu prüfen, inwieweit unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und der zeitgemäßen Entwicklung der Bibliotheken eine Lösung zu finden ist, die den Interessen aller Beteiligten weitgehend gerecht wird. Die Initiative Urheberrecht und ihre Mitgliedsorganisationen werden sich an dieser Diskussion konstruktiv beteiligen.


Prof. Dr. Gerhard Pfennig
Sprecher der Initiative Urheberrecht

23. Februar 2017


* Im Folgenden wird der besseren Lesbarkeit wegen nur die männliche Form verwendet.

 

170223_stellungnahme_urhwissg_ini_urheberrecht.pdf (pdf, 525.69 KB)

Pressekontakt: info@urheber.info