Direkt zum Inhalt springen

Diskurs

Donnerstag, 31.12.2015

Urheberrecht für "Mein Kampf" endet am 31. Dezember 2015

An jedem 31. Dezember läuft in Deutschland – und vielen anderen Ländern – 70 Jahre nach dem Tod der Urheber das Urheberrecht ab. Ihre Werke werden „gemeinfrei“. Am Jahreswechsel 2015/16 findet diese Tatsache besondere Beachtung in vielen Medien, denn es betrifft auch das Buch ...

An jedem 31. Dezember läuft in Deutschland – und vielen anderen Ländern – 70 Jahre nach dem Tod der Urheber das Urheberrecht ab. Ihre Werke werden „gemeinfrei“. Am Jahreswechsel 2015/16 findet diese Tatsache besondere Beachtung in vielen Medien, denn es betrifft auch das Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler.
„Es gilt manchen als eines der gefährlichsten Bücher der Welt. Und das, obwohl sich ‚Mein Kampf’ von Adolf Hitler durch einen ‚prätentiösen Stil’ und ‚gedrechselte, wurmartige Perioden’ auszeichnet, wie es der Historiker Joachim Fest einmal beschrieb. Andere, wie Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, will das Buch im Schulunterricht lesen lassen“, heißt es in einem kürzlich erschienenen Artikel im Berliner Tagesspiegel. „Neonazis lesen das Buch wenig, sagen Sicherheitsbehörden. Es wird zwar bei Razzien regelmäßig gefunden, aber eher als Sammlerstück. Wahrscheinlich ist die Lektüre dieses dicken, ermüdenden Wälzers für dieses Publikum zu anstrengend.“
Dass ab 1. Januar 2016 unzählige Neuauflagen der Kampfschrift den Buchmarkt überschwemmen, ist zwar unwahrscheinlich, aber theoretisch möglich. Denn 70 Jahre nach dem Tod seines Urhebers wird auch dieses Werk „gemeinfrei“. „Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers“, bestimmt § 64 Urheberrechtsgesetz eindeutig. Die lagen bisher bei Bayern. Der Freistaat wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der alliierten Entnazifizierung Inhaber der Urheber- und Verlagsrechte an Hitlers Buch „Mein Kampf“.
70 Jahre lang verhinderte der bayerische Staat eine Neuauflage – jedenfalls in Deutschland. So verhinderte Bayern auch Nachdrucke von Auszügen durch einen britischen Verlag zwei Urteile des Landgerichts München im Januar und Dezember 2012. Gegen andere Nachdrucke von „Mein Kampf“ im Ausland – so in den USA und Polen – ging der Freistaat aber nicht juristisch vor. Es blieb bei Ankündigungen.
Das nun nach Ablauf der urheberrechtliche Schutzfrist in Deutschland eine unkommentierte Neuauflage erscheint, ist kaum wahrscheinlich, denn bereits im Frühjahr 2014 hatten sich die Justizminister der Länder darauf verständigt, dies verhindern zu wollen. Dafür erscheint am 8. Januar 2016 eine historisch-kritische Ausgabe „Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition“ des renommierten und über alle Zweifel erhabenen Münchener Instituts für Zeitgeschichte , allerdings nur in einer Auflage von 4000 Exemplaren.
Adolf Hitler ist längst nicht der einzige „Autor“, dessen Werke am 1. Januar 2016 „gemeinfrei“ werden. Wikisource listet viele Dutzende auf, darunter beispielsweise den lutherischer Theologen Dietrich Bonhoeffer, der nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf ausdrücklichen Befehl Hitlers als einer der letzten NS-Gegner im April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde. Auch die Werke der deutschen Jüdin Else Lasker-Schüler, die 1945 in Jerusalem starb, werden „gemeinfrei“ und dürften damit öfter als bisher auf deutschen Bühnen zu sehen sein.
International am meisten diskutiert wurde über das Tagebuch der Anne Frank. Der von ihrem Vater Otto gegründete Anne Frank Fonds in Basel, der die Urheberrechte an Anne Franks Tagebüchern innehat, wollte ein Verbot einer geplanten wissenschaftlichen Gesamtausgabe erreichen. Sein Argument: Der 1980 verstorbenen Otto Frank sei „Mitautor“, weshalb das Urheberrecht erst 2051 ende. Am 29. Dezember entschied nun das Landgericht Amsterdam in einem Zivilverfahren in erster Instanz, dass Textpassagen aus den Tagebüchern für wissenschaftliche Zwecke kopiert und veröffentlicht werden dürfen, berichtet boersenblatt.net. In Gänze dürfen sie aber nicht publiziert oder ins Internet gestellt werden. Unabhängig von einer möglichen Mitautorenschaft Otto Franks gelte das Urheberrecht bis 2036, befanden die Amsterdamer Richter, da 1986 das Tagebuch mit bis dahin unveröffentlichten Texte von Anne Frank erschienen waren.

Pressekontakt: info@urheber.info