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Diskurs

Freitag, 13.01.2017

BMJV-Entwurf zum "Urheberrecht in der Wissensgesellschaft"

Das Bundesjustizministerium hat einen Referentenentwurf für ein „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz“ (UrhWissG) erarbeitet, mit dem eine „Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft“ noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wer...

Das Bundesjustizministerium hat einen Referentenentwurf für ein „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz“ (UrhWissG) erarbeitet, mit dem eine „Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft“ noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll.
Verzichtet wird dabei auf die Einführung einer „allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke“, wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt wurde (siehe News vom 27. November 2013). Sie war auch vom Bildungsministerium favorisiert worden, dass dazu von Katharina de la Durantaye eine Untersuchung erstellen ließ (siehe News vom 2. Mai 2014). Noch kürzlich hatte die Hochschulrektorenkonferenz sie gefordert (siehe News vom 18. November 2016).
Das BMJV hat sich entschieden „auf das Konzept einer Generalklausel zu verzichten“, heißt es im Entwurf, diese wohl weitere rechtliche Auseinandersetzungen bedeuten würde – zum Beispiel darüber, was „kleine Teile“ aus Werken sind, oder was in welchen elektronischen Semesterapparaten verwendet werden dürfe. Stattdessen ist im Referentenentwurf, der jetzt von öffentlich gemacht wurde, bei den „Schranken des Urheberrechts“ ein neuer Unterabschnitt 4 vorgesehen mit Einzelregelungen in den neuen Paragrafen 60a bis 60h. „Dieser Unterabschnitt ist der Kern der Reform“, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs (Download), der von iRights.info veröffentlicht wurde.
Gleichzeitig sollen nach den Vorstellungen des Ministeriums die bisherigen umstrittenen Paragrafen 52a (Elektronische Semesterapparate), 52b (Elektronische Leseplätze) und 53a UrhG (Kopienversand) gestrichen werden. Bei den Semesterapparaten gab es ja bis zuletzt Auseinandersetzungen um den Rahmenvertrag, der von den meisten Hochschulen nicht akzeptiert wurde (siehe zuletzt News vom 9. Dezember 2016). Änderungen gibt es auch beim § 46 UrhG (Sammlungen für Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch) und beim Zitatrecht § 51 UrhG), das für Abbildungen zum Beispiel von Gemälden auch dann gelten soll, wenn deren Reproduktionen eigens geschützt sein sollten.
Inhaltlich die wesentlichsten Punkte sind die Ersetzung der einschränkenden Formulierung erlaubter Nutzungen zur „Veranschaulichung im Unterricht“ durch „des Unterrichts“, die Erlaubnis von Speicherungen und Ausdrucken bei der Nutzung von digitalen Angeboten der Bibliotheken, die Klarstellung, welche Bildungseinrichtungen privilegiert sind („Bildungseinrichtungen sind frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung“) und die Ermöglichung von Pauschallösungen bei der Regelung der Vergütung an Urheber und Verleger über die Verwertungsgesellschaften (§ 60h, wonach „eine pauschale Vergütung oder eine repräsentative Stichprobe der Nutzung für die nutzungsabhängige Berechnung der angemessenen Vergütung genügt.“) – außer bei Lehrbüchern und -materialien.

  • Die Paragrafen 60a und 60c des Entwurfs erlauben die Nutzung von bis zu 25 Prozent eines Werkes für Unterricht, Lehre und Forschung, sofern es sich nicht um Musiknoten oder Lernmaterial handelt, auch auszugsweise nicht im Unterricht genutzt oder über Lernplattformen verbreitet werden dürfen. Hierfür müssten Lizenzverträge oder Rahmenverträge abgeschlossen werden. Bildungsmedienverlage können nach § 60b bis zu 10 Prozent eines Werkes ohne Rechteklärung in ihren Lernmaterialen verwenden. Für die eigene wissenschaftliche Forschung dürfen dafür sogar bis zu 75 Prozent eines Werkes genutzt werden.
  • Nach § 60a Absatz 2 dürfen „Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Zeitung oder Zeitschrift, sonstige Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke“ vollständig genutzt werden. Bei der Festlegung, wie umfangreich ein Werk sein darf, damit es noch als Werk geringen Umfangs gilt, stützt sich der Entwurf auf die Konkretisierung in den Gesamtverträgen zwischen Verwertungsgesellschaften und Nutzern: für Druckwerke 25 Seiten, für Noten 6 Seiten und für Filme sowie Musik 5 Minuten.
  • § 60d des Entwurfs sieht die Einführung einer Ausnahme für Text und Data Mining vor, allerdings beschränkt auf nicht-kommerzielle Zwecke, denn dies würde der bisherigen Infosoc-Richtlinie der EU widersprechen.
  • § 60e erlaubt Bibliotheken, ihren Nutzern die Vervielfältigung von bis zu 10 Prozent eines Werkes sowie einzelne Beiträge, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind, „für Forschung und private Studien“ zu ermöglichen.

Prinzipiell die Bestimmungen der Paragrafen 60a bis f des Entwurfs sind zwingend und können nicht vertraglich ausgehebelt werden. Einzige Ausnahme ist die Zugänglichmachung an Terminals in Bibliotheken und Archiven, die vertraglich ausgeschlossen werden kann.

Pressekontakt: info@urheber.info